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Pfarrer Hans-Theo Daum geht in den Ruhestand

Entwicklung der Notfallseelsorge "eine schöne Erfahrung"

Mann mit blauem Jacket und Weste über dem rechten Arm

Pfarrer Hans-Theo Daum, Stellvertretender Dekan im Dekanat Gießener Land und Leiter der Notfallseelsorge im Landkreis Gießen, geht in den Ruhestand

An der Tür seines Büros im Haus der Kirche in Grünberg steht „Stellvertretender Dekan Hans-Theo Daum“, am Garderobenständer im Büro hängt eine gelbe Jacke mit Leuchtstreifen der Notfallseelsorge. Damit sind die letzten beiden Arbeitsbereiche von Pfarrer Hans-Theo Daum beschrieben, der am 10. September um 14 Uhr in einem Gottesdienst in der Lollarer Kirche in den Ruhestand verabschiedet wird.

Als Pfarrer Daum vor sieben Jahren die Leitung der Notfallseelsorge im Landkreis Gießen übertragen wurde, war der Theologe noch Dekan im evangelischen Dekanat Kirchberg mit Sitz in Großen-Buseck. Die beiden halben Stellen, findet der Westerwälder auch heute noch, ergänzten sich hervorragend. Beide Aufgaben vereinten hohe Verantwortung und viel Verwaltung, Kontakte und Zusammenarbeit mit den Neben- und Hauptamtlichen in der Kirche, mit Kirchengemeinden, Vertretern und Vertreterinnen von Politik und Zivilgesellschaft.

Schlaflose Nächte

Allerdings bereitete ihm die Notfallseelsorge wesentlich mehr schlaflose Nächte. Das lag vor allem daran, dass dieser Aufgabenbereich zum Zeitpunkt der Übernahme durch Daum deutlich unterbesetzt war. Mit kaum 15 ehrenamtlich Notfallseelsorge-Dienste übernehmenden Pfarrern und Pfarrerinnen sowie anderen kirchlichen Mitarbeitenden aus katholischer und evangelischer Kirche im Landkreis mussten 365 Tage und Nächte abgedeckt werden – eine „prekäre Situation“, die er damals vorfand, erinnert sich Daum.

Ehrenamtliche aus allen Berufen

Mit der Zulassung von nichtkirchlichen Ehrenamtlichen für die Notfallseelsorge fast gleichzeitig mit Daums Dienstbeginn als Chef der Notfallseelsorge im Landkreis wuchs der personelle Pool, aus dem die Dienste besetzt werden konnten, ziemlich schnell. Jährlich bildet er zusammen mit einem Kollegen Frauen und Männer aus unterschiedlichen Alters- und Berufsgruppen für die „Erste Hilfe für die Seele“ aus. So kann er heute für die Dienstpläne auf fast 70 Mitarbeitende zurückgreifen, die in 80 Unterrichtseinheiten für alle möglichen Gefahren- und Krisensituationen ausgebildet wurden, verbunden mit Praktika bei Feuerwehr oder Polizei.

Entlastung für Polizei und Rettungsdienste

Auch die Rettungsdienste, Polizei und Feuerwehr empfinden das ökumenische Angebot als Entlastung. Das zeige sich, so Daum, nicht nur darin, dass die Notfallseelsorge bei bestimmten Einsätzen fast schon automatisch hinzugerufen wird. Auch die Retterinnen und Retter selbst nutzten häufiger als früher das Angebot der Notfallseelsorge, schwierige Einsätze im Gespräch nachzubearbeiten. „Die gute Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen des Katastrophenschutzes und die Unterstützung durch den Landkreis hilft uns in diesem Zusammenhang sehr“ betont Daum.

Hoffen auf eine Zukunft der Notfallseelsorge

Diese positive Entwicklung nennt Daum eine „sehr schöne Erfahrung der letzten Jahre“. Er hofft, dass die Landeskirche an der Notfallseelsorge in dieser Form festhält, weil Kirche bei dieser Aufgabe in schwierigen Lebenssituationen und Krisen „ganz nah bei den Menschen“ sein und sie begleiten kann – unabhängig von deren Bekenntnis, Herkunft oder Status. Für die nächsten Jahre scheint dies gesichert, denn mit Pfarrer Thomas Schill steht sein Nachfolger bereits fest.

Anfang in Holzheim und Dorf Güll

Holzheim und Dorf Güll waren die ersten Gemeinden, die Daum nach Studium in Oberursel, Tübingen und Heidelberg, dem Lehrvikariat in Breidenbach und einer Assistenzzeit im Theologischen Seminar Herborn 1985 gemeinsam mit seiner Frau, Pfarrerin Petra Assmann-Daum, übernahm. Bis 1995 teilten sie sich die Pfarrstelle, die Hausarbeit und die Erziehung der beiden Töchter Lena und Anna. Mit dieser Zeit sind für den 65-Jährigen viele positive Erinnerungen an eine breite Unterstützung durch viele Menschen aus der Kirchengemeinde sowohl im dienstlichen als auch im familiären Bereich verbunden.

Gesellschaftliches Engagement gehört dazu

Ganz selbstverständlich gehört in den Augen Daums auch das gesellschaftliche Engagement zum Berufsbild des Pfarrers dazu. Für das junge Holzheimer Pfarrerehepaar war es deshalb klar, dass man sich in der Bürgerinitiative zur Verhinderung der Mülldeponie einbrachte. Fast wehmütig erinnert sich der Pfarrer an Konzerte mit bis zu 1000 jungen Leuten in der Sporthalle. Auch die Kommunikation in die Gemeinde und in die Öffentlichkeit war dem Seelsorger von Anfang an wichtig. So entstand mit Anschaffung des ersten PC in der Kirchengemeinde neben dem „fix-fax“ Newsletter auf Fax-Basis die Holzheim-Bibel. Dafür wurden im Computer entworfene DIN-A4-Ausdrucke im Dorf verteilt, die individuell gestaltet und mit Bibelstellen beschriftet wurden.

Feuchter Start in Lollar

Ein ganz anderes Umfeld als die beiden sehr kirchlich geprägten Gemeinden Holzheim und Dorf Güll war die religiös, weltanschaulich und ethnisch bunt gemischte Gemeinde Lollar, wohin das Ehepaar Daum Anfang 1996 wechselte. Nach einem wegen eines Wasserschadens im Pfarrhaus sehr nassen und turbulenten Anfang in der Gemeinde im Dekanat Kirchberg fand Daum auch hier schnell seine Betätigungsfelder: Das Gemeindehaus wurde erweitert, ein Kochclub gegründet, den es heute noch gibt, und Konzerte veranstaltet, etwa mit Cae und Eddie Gauntt, die man noch aus Holzheimer Zeiten kannte.

"Das Lumdatal bleibt bunt"

Auch das gesellschaftspolitische Engagement war wieder gefragt: Die Kirchengemeinde Lollar regte 2013 die erste Mahnwache gegen rechts an – „das Lumdatal bleibt bunt“ und beteiligte sich 2015 mit vielen Ehrenamtlichen an der Flüchtlingsarbeit im Dekanat. Dieses Engagement wurde auch auf der Dekanats-Website „Evangelisch im Gießener Land“ öffentlich gemacht, die Daum als Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit in der Arbeitsgemeinschaft der Dekanate Grünberg, Hungen und Kirchberg 2006 online gestellt hatte.

Öffentlichkeitsarbeit zunächst im Ehrenamt

Mit der Öffentlichkeitsarbeit auf Dekanatsebene hatte er bereits 1987 im Dekanat Hungen ehrenamtlich begonnen. 1992 folgte eine Ausbildung zum Medienberater. 1994 konnte er sich 1994 Fachberater für das Handlungsfeld Öffentlichkeit und Medien in der Evangelischen Kirche in Hesssen und Nassau (EKHN) nennen. Nach dem Wechsel in die Kirchengemeinde Lollar und damit ins Dekanat Kirchberg im Jahr 1996 wurde er auch dort ein Jahr später Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit.

Dekan im Dekanat Kirchberg

Nach sechs Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit folgte 2010 die Wahl zum Dekan des Dekanats Kirchberg. Die halbe Stelle komplettierte er zunächst mit Altenheimseelsorge und Vertretungsdiensten im Dekanat. Nach einer Ausbildung zum Notfallseelsorger 2014 und der aktiven ehrenamtlichen Mitarbeit in der „Ersten Hilfe für die Seele“ leitet erseit 2016 mit halber Stelle die Notfallseelsorge im Landkreis Gießen.

"Kollege mit besonderen Aufgaben"

Die Fusion der Evangelischen Dekanate Grünberg, Hungen und Kirchberg zum Evangelischen Dekanat Gießener Land brachte erneut eine berufliche Veränderung: Aus dem Dekan im kleinen Dekanat Kirchberg wurde der Stellvertretende Dekan im großen Dekanat Gießener Land. Hier sieht er sich, wie schon vorher in Kirchberg, als „Kollege mit besonderen Aufgaben“, der in seinen letzten Dienstjahren die neue Dekanatsleitung mit seiner Erfahrung unterstützt.

Klug gewählte Hobbys für den Ruhestand

Parallel zu den beruflichen Aktivitäten hat sich der in Herborn geborene Westerwälder mit klug gewählten Hobbys auf den Ruhestand vorbereitet. Mit Tochter Lena hält er Bienenvölker und imkert fleißig Honig, Hund Gustav zwingt zu regelmäßiger Aktivität rund um Lollar und die Dauerkarte bei Eintracht Frankfurt garantiert auch in Zukunft regelmäßige Adrenalinschübe. Ein nicht untermotorisierter Motorroller und ein E-Bike sorgen für Freude an der Mobilität. Und vielleicht wird es auch was mit dem Chorsingen, wofür ihm bisher bei all seinen beruflichen und ehrenamtlichen Aktivitäten immer die Zeit fehlte.


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